Die Geschichte meines Fursonas Nico^^ Eine etwas nachdenklichere Geschichte.
Kapitel 1: Fragen
Die Sonne war seit einiger Zeit untergegangen. Nur noch wenig Licht säumte den Fluss und die Wiesen davor. Im Wald, der in einiger Entfernung zum Fluss lag, drang so gut wie kein licht mehr durch das dichte Blattwerk.
In seinem bau erwachte Nico gerade aus dem Schlaf. Er hob den kopf, lugte mit müden Augen zum Ausgang. Er konnte kaum Licht sehen, musste lange geschlafen haben. Der junge Fuchs kroch durch das enge Loch zum Ausgang, streckte den Kopf hinaus und witterte in alle Richtungen.
Nachdem er sich vorsichtig umgeschaut hatte, kam er aus seinem Bau heraus, streckte alle Glieder und lief zwischen den Bäumen hindurch zum Waldrand. Er wollte zum Fluss, um zu trinken. Als er an den Waldrand kam, konnte er den Fluss sehen, ein etwa hundert Meter langer Abhang führte zu dem kleinen Fluss.
Nico lief weiter und spürte unter seinen Pfoten das weiche Gras, das immer noch einen teil der Wärme des Augusttages speicherte. Am Fluss angekommen trank sich der Fuchs als erstes satt, was nach der Hitze recht lange dauerte. Nach einer weile war er fertig und schon zum gehen gewandt. Doch auf einmal hielt er Inne.
Zögernd trat Nico noch einmal zum Ufer zurück, beugte den kopf über das Wasser. Hinten sah er das Spiegelbild des Vollmondes, das sich als langer Streifen über das Wasser zog, vielfach gebrochen, von wellen. Weiter vorne spiegelten sich ein paar Pflanzen und Ufergräser.
Ganz vorne konnte Nico sich selbst sehen. Er sah das kastanienbraune Fell in seinem Gesicht, das um die Augen herum eine Nuance heller wurde. Er sah die spitzen Ohren auf seinem kopf, die ebenfalls helleres Fell hatten. Und er sah sich tief in die Augen. Diese bernsteinfarbenen Augen, die er sah. Sie schauten nur nachdenklich zurück.
Im Kopf des jungen Fuchses entfalteten sich drei Fragen, die er sich in seinem Leben das erste Mal stellte. Wie aus einer Raupe ein Schmetterling wurde, so entfalteten sich auch diese Fragen, wurden immer klarer, bis er sie schließlich in Worte fassen konnte:
„Wer bin ich? Warum bin ich? Was bin ich?“ flüsterte Nico leise zu sich selbst.
Diese Frage war ihm bislang völlig fremd gewesen. Vor zwei Jahren war er unweit von hier geboren worden. Seit er für sich selbst sorgen konnte lebte er in diesem Bau, seine Eltern und Geschwister hatte Nico nie wieder gesehen. Er hatte immer in den Tag gelebt, sich um Versorgung und Sicherheit gekümmert, was hier nicht besonders schwer war. In dem Wald, in dem er lebte, hatte er einen sicheren Bau, Menschen hatte er selbst noch nie gesehen, denn sie kamen nur ganz selten an diesen Ort. Futter gab es hier ebenfalls genug und um Wasser zu bekommen, brauchte Nico nur an den Fluss zu gehen und zu trinken. Er hatte hier ein ruhiges leben geführt, ein sorgloses Leben.
Nach einer weile löste sich Nico von seinem Spiegelbild und setzte sich ans Flussufer. Ergrübelte: wer konnte ihm helfen, eine Antwort zu finden? Selbst würde er nicht darauf kommen, das spürte er. Nico wusste einfach nicht, wie er auf so eine Antwort kommen sollte. Im Kopf ging er die wenigen Tiere durch, die er kannte. Flüchtig kannte er den Dachs und das Wiesel, auch den Marder sah er ab und an mal. Die kleineren Tiere mieden ihn natürlich. Das einzige Tier, das ihm einfiel war Martha, die Eule, die schon sehr alt war. Sie konnte ihm vielleicht helfen, doch er fürchtete sich auch, ihren Rat zu suchen, denn ihre Antworten waren zwar immer sehr weise, aber auch immer sehr rätselhaft und mysteriös.
Dennoch erhob sich Nico und bestieg den sanften Abhang, der ihn in den Wald brachte. Schnell war er im Wald und trottete zwischen den hohen bäumen durch, immer den Blick nach oben gerichtet, auf der Suche nach der Eule. Durch das dichte Blattwerk lugten schüchtern ein paar Sterne, verschwanden aber schnell wieder zwischen den Blättern. Auf einem hohen Ast bemerkte Nico auf einmal eine Bewegung, die eines Vogels. Er sah genau hin – es war Martha.
„Martha?“ rief Nico hinauf.
Der Vogel erhob sich, flog hinunter und landete auf einen weitaus niedrigeren Buchenast. Die Eule musterte Nico mit großen, runden Augen.
„Guten Abend, Nico,“ sagte Martha. „Was verschlägt dich hierher? Es ist so eine schöne Nacht.“
„Ja“, bestätigte Nico höflich. „Eine sehr schöne Nacht. Aber mir kam eben eine Frage und um eine Antwort darauf zu finden benötige ich deine Hilfe, “ schoss er dann los, um möglichst schnell zum wesentlichen zu gelangen.
Martha neigte den kopf leicht. „Und wie lautet die Frage?“ wollte sie dann wissen.
Daraufhin erklärte Nico der Eule, wie er am Ufer des Flusses gestanden hatte und sein Spiegelbild gesehen hatte. Und er erzählte von den Fragen, die in seinem Kopf hochgestiegen waren und ihn nur nicht mehr losließen, ehe er eine Antwort finden würde.
„Ach so“, antwortete Martha, als Nico fertig war. „Ab und zu gibt es Tiere, die sich so eine Frage stellen. Sie sind selten, aber es gibt sie. Ich gehörte auch dazu. Und natürlich kenne ich die Antwort, die einzig allgemei….“
„Sag sie mir!“ forderte Nico aufgeregt
„Aber nein, so einfach ist das nicht“, gab die Eule zurück und ließ Nicos Gesicht wieder nachdenklich schauen. „Du wirst es schon selbst herausfinden, sonst verstehst du die Antwort einfach nicht“, erklärte sie dann verständnisvoll.
Nico ärgerte sich. Darum, dachte er sich, darum hab ich mir genau überlegt, ob ich Martha um rat frage. Genau darum! Laut sagte Nico nur:
„Und wie finde ich es heraus?“
„Nun, das liegt bei dir“, meinte die Eule. „ich kann dir nur sagen, dass es nichts bringt, nur zu überlegen. Man muss auch eine eigene Vernunft entwickeln. Man kann auch nicht einfach irgendwelche Tiere fragen, ob sie es dir sagen können. Auch das hilft einfach nicht. Auch solltest du nicht versuchen, die Frage zu verdrängen, da diese Frage so universell für dich ist, dass du sie nicht einfach vergessen kannst.“
Nico nickte schwach. Nun wusste er dass er etwas tun musste und er wusste, dass er einige Dinge nicht tun sollte.
„Überlege dir was“, fügte Martha noch an, breitete die Flügel aus, erhob sich in die Luft und flog lautlos davon in einen der Baumwipfel. Nico sah ihr nach. Lange blieb der junge Fuchs an derselben Stelle stehen und dachte über den Ratschlag der Eule nach. Was sollte er tun? Er konnte sich einfach keinen Reim daraus machen.
Später ging Nico auf die jagt, denn sein Magen fühlte sich unangenehm leer an. Doch immer noch waberte ihm die frage durch den Kopf, immer noch grübelte er, was er tun konnte. Egal, wie oft sich Nico an ein kleineres Tier heranpirschte, immer wieder wurde er entdeckt, denn es war unmöglich, über eine wichtige frage nachzudenken und sich gleichzeitig lautlos anzuschleichen. Und die frage ging ihm nicht aus dem kopf.
Als der morgen graute, fühlte sich Nico frustriert und hungrig und er kehrte zu seinem Bau zurück, um dort den Tag über zu schlafen. Er schloss die Augen und sofort schien er eingeschlafen zu sein.
Nico öffnete die Augen und wie immer wollte er als erstes wissen, wo er war. So schaute er um sich. Doch er sah nichts. Er witterte. Doch er roch nichts. Er horchte. Doch er hörte nichts. Er tastete. Doch er spürte nichts. Er wusste, dass er stand aber unter seinen Pfoten konnte er keinen Boden spüren. Er schien sich in einem vollkommen leeren Raum zu befinden, denn beim besten willen war er nicht fähig, etwas wahrzunehmen. Der junge Fuchs bekam langsam Angst. Wo war er? Wo musste er hingehen, um aus dem stillen, dunklen Raum
hinauszugelangen. Zumindest frage er sich das, aber er konnte nicht sagen, ob dies ein Raum war, oder ob hier die Zeit verging. Und er frage sich noch mehr Dinge. War hier eine Gefahr? Und wenn dort eine war, befand sie sich vielleicht direkt vor ihr, nicht mit den Sinnen zu erfassen? Würde sie ihn anspringen. Immer furchtsamer wurde Nico, fast panisch. Langsam tappte er vorwärts, einen Ausweg suchen. Er war allein, allein mit seinen Gedanken. Und immer weiter versuchte er, etwas über seine direkte Umgebung herauszufinden. Doch er fand nichts außer mehr und mehr leerem Raum, mehr und mehr….
Nico erwachte und hob erschrocken den Kopf. Sofort sahen seine Augen einen Schimmer schwachen Lichtes, das durch den Eingang in den Bau schien. Er roch auch wieder die üblichen Gerüche nach Erde und Fuchs. Unter seinen Pfoten spürte Nico auch die Erde, seine Ohren vernahmen nächtliche Geräusche.
Am Eingang angekommen, bemerkte Nico gleich, dass es schon vollständig dunkel war. Und wieder ging er den sanften Abhang hinunter und dachte am Flussufer nach, denn immer noch war die Frage, die ihn quälte nicht verschwunden.
Wer bin ich? Warum bin ich? Was bin ich?
Aber er dachte auch über diesen merkwürdigen Traum nach, den er in der vergangenen Nacht gehabt hatte. Er war völlig orientierungslos gewesen. Dies erinnerte ihn an was: seine Situation in diesem Wald. Sein Gebiet, das er in den Nächten durchstreifte war nicht besonders groß. Es war sogar ziemlich klein für das Streifgebiet eines Fuchses. Und so hatte er auch nicht viel lernen müssen, denn da er sich hier keine Sorgen um das Überleben zu machen gebraucht hatte, war dies nie nötig gewesen. Aber es gab hier eben nie etwas neues, jede Nacht war mehr oder weniger gleich.
Nun, dachte Nico seinen Gedankengang weiter, wenn er etwas anders machen sollte, würde das sicher nicht hier geschehen. Also gab es nur eine Lösung
„Auswandern!“ schallte es schlagartig in Nicos Kopf.
Er würde den Wald verlassen, er würde neue Dinge sehen, er würde lernen, er würde sicher auch Gefahren zu überstehen haben. Das dürfte, dachte Nico, bei der Lösung des Rätsels helfen.
Nico ging es nun schon wieder etwas besser. Er hatte die Frage zwar noch lange nicht beantwortet, aber er hatte nun eine Idee von dem, was er tun sollte. Er ging auf die jagt und in dieser Nacht dauerte es nicht so lange, wie in der Nacht zuvor, da hatte er schon Beute gemacht. Lange brauchte er hingegen zum fressen, denn er hatte einen großen Hunger, der gestillt werden musste. Als er sich sattgefressen hatte, suchte er im Wald nach Martha, denn er wollte ihr von seinem Plan erzählen.
„Wenn du dir sicher bist, dass es dein Problem löst“, kommentierte sie, als Nico ihr alles erzählt hatte. „Es ist eine Möglichkeit.“
Die Eule zeigte keine Spur von Trauer, als sie hörte, dass sie Nico nie wieder sehen würde. In ihrem langen Leben hatte Martha schon viele Tiere kommen und gehen gesehen und so war der Abschied für sie ein Teil des Lebens, den sie akzeptierte.
„Aber sag mal Nico, weißt du denn schon, wo du hingehen möchtest?“
Nico sank das Herz. Stimmt! Das hatte der Fuchs nicht bedacht. Wohin wollte er eigentlich?
„Ich weiß nicht…“ antwortet er zögernd.
„Du kannst nicht einfach ziellos herumwandern“, tadelte ihn die Eule auf der Stelle.
Nico überlegte. Was er nun brauchte waren Informationen über die Landschaft. Danach konnte er sich richten.
„Wie sieht es hinter dem Horizont aus“, fragte er Martha schließlich.
„Das kann ich dir nicht sagen.“
„Aber du bist ein Vogel. Du kommst weit herum. Ich bin mir sicher, dass du es weißt.“
„Ich weiß es aber nicht“, antwortete Martha leicht gereizt. Das war ihr jetzt unangenehm. Es stimmte – Für einen Vogel war sie äußerst sesshaft.
„Ich komme nicht weit herum“, sagte sie Nico schließlich.
Einen Moment standen sie sich gegenüber, keiner sagte etwas.
„Weißt du, wer mir helfen kann?“ wollte Nico dann wissen.
„Oh ja“, erwiderte Martha sofort. „Du kannst viele Tiere hier fragen. Keiner kommt weit herum, aber viele wissen ein wenig. Den Dachs kannst du fragen. Das Wiesel oder den Marder. Die könnten schon etwas wissen. Also viel glück.“
Mit diesen Worten erhob sich Martha und flog davon.
Nico war etwas unzufrieden mit den Antworten. Er hatte geplant, morgen Nacht loszuwandern, doch die Vorbereitungen auf die Reise würden bestimmt noch die kommende Nacht brauchen. In dieser Nacht würde Nico es jedenfalls nicht mehr schaffen, Informationen über das Umland zu sammeln.
Als er zum Waldrand ging, um zum Fluss zu gelangen verdrängte im Osten schon erstes Licht die hell leuchtenden Sterne. Erste Vögel konnte Nico ebenfalls hören.
Nachdem Nico am Fluss getrunken hatte, beschloss er, sich schlafen zu legen. Er würde Kraft brauchen, um seine Reise gut planen zu können und es würde wohl nicht leicht werden, alle Tiere zu finden, um ihnen Fragen zu stellen.
Vom Fluss ging Nico direkt zu seinem Bau. Während es schon immer heller würde, senkte er den Kopf, schlüpfte in seinen Bau und schlief dort.
Kapitel 1: Fragen
Die Sonne war seit einiger Zeit untergegangen. Nur noch wenig Licht säumte den Fluss und die Wiesen davor. Im Wald, der in einiger Entfernung zum Fluss lag, drang so gut wie kein licht mehr durch das dichte Blattwerk.
In seinem bau erwachte Nico gerade aus dem Schlaf. Er hob den kopf, lugte mit müden Augen zum Ausgang. Er konnte kaum Licht sehen, musste lange geschlafen haben. Der junge Fuchs kroch durch das enge Loch zum Ausgang, streckte den Kopf hinaus und witterte in alle Richtungen.
Nachdem er sich vorsichtig umgeschaut hatte, kam er aus seinem Bau heraus, streckte alle Glieder und lief zwischen den Bäumen hindurch zum Waldrand. Er wollte zum Fluss, um zu trinken. Als er an den Waldrand kam, konnte er den Fluss sehen, ein etwa hundert Meter langer Abhang führte zu dem kleinen Fluss.
Nico lief weiter und spürte unter seinen Pfoten das weiche Gras, das immer noch einen teil der Wärme des Augusttages speicherte. Am Fluss angekommen trank sich der Fuchs als erstes satt, was nach der Hitze recht lange dauerte. Nach einer weile war er fertig und schon zum gehen gewandt. Doch auf einmal hielt er Inne.
Zögernd trat Nico noch einmal zum Ufer zurück, beugte den kopf über das Wasser. Hinten sah er das Spiegelbild des Vollmondes, das sich als langer Streifen über das Wasser zog, vielfach gebrochen, von wellen. Weiter vorne spiegelten sich ein paar Pflanzen und Ufergräser.
Ganz vorne konnte Nico sich selbst sehen. Er sah das kastanienbraune Fell in seinem Gesicht, das um die Augen herum eine Nuance heller wurde. Er sah die spitzen Ohren auf seinem kopf, die ebenfalls helleres Fell hatten. Und er sah sich tief in die Augen. Diese bernsteinfarbenen Augen, die er sah. Sie schauten nur nachdenklich zurück.
Im Kopf des jungen Fuchses entfalteten sich drei Fragen, die er sich in seinem Leben das erste Mal stellte. Wie aus einer Raupe ein Schmetterling wurde, so entfalteten sich auch diese Fragen, wurden immer klarer, bis er sie schließlich in Worte fassen konnte:
„Wer bin ich? Warum bin ich? Was bin ich?“ flüsterte Nico leise zu sich selbst.
Diese Frage war ihm bislang völlig fremd gewesen. Vor zwei Jahren war er unweit von hier geboren worden. Seit er für sich selbst sorgen konnte lebte er in diesem Bau, seine Eltern und Geschwister hatte Nico nie wieder gesehen. Er hatte immer in den Tag gelebt, sich um Versorgung und Sicherheit gekümmert, was hier nicht besonders schwer war. In dem Wald, in dem er lebte, hatte er einen sicheren Bau, Menschen hatte er selbst noch nie gesehen, denn sie kamen nur ganz selten an diesen Ort. Futter gab es hier ebenfalls genug und um Wasser zu bekommen, brauchte Nico nur an den Fluss zu gehen und zu trinken. Er hatte hier ein ruhiges leben geführt, ein sorgloses Leben.
Nach einer weile löste sich Nico von seinem Spiegelbild und setzte sich ans Flussufer. Ergrübelte: wer konnte ihm helfen, eine Antwort zu finden? Selbst würde er nicht darauf kommen, das spürte er. Nico wusste einfach nicht, wie er auf so eine Antwort kommen sollte. Im Kopf ging er die wenigen Tiere durch, die er kannte. Flüchtig kannte er den Dachs und das Wiesel, auch den Marder sah er ab und an mal. Die kleineren Tiere mieden ihn natürlich. Das einzige Tier, das ihm einfiel war Martha, die Eule, die schon sehr alt war. Sie konnte ihm vielleicht helfen, doch er fürchtete sich auch, ihren Rat zu suchen, denn ihre Antworten waren zwar immer sehr weise, aber auch immer sehr rätselhaft und mysteriös.
Dennoch erhob sich Nico und bestieg den sanften Abhang, der ihn in den Wald brachte. Schnell war er im Wald und trottete zwischen den hohen bäumen durch, immer den Blick nach oben gerichtet, auf der Suche nach der Eule. Durch das dichte Blattwerk lugten schüchtern ein paar Sterne, verschwanden aber schnell wieder zwischen den Blättern. Auf einem hohen Ast bemerkte Nico auf einmal eine Bewegung, die eines Vogels. Er sah genau hin – es war Martha.
„Martha?“ rief Nico hinauf.
Der Vogel erhob sich, flog hinunter und landete auf einen weitaus niedrigeren Buchenast. Die Eule musterte Nico mit großen, runden Augen.
„Guten Abend, Nico,“ sagte Martha. „Was verschlägt dich hierher? Es ist so eine schöne Nacht.“
„Ja“, bestätigte Nico höflich. „Eine sehr schöne Nacht. Aber mir kam eben eine Frage und um eine Antwort darauf zu finden benötige ich deine Hilfe, “ schoss er dann los, um möglichst schnell zum wesentlichen zu gelangen.
Martha neigte den kopf leicht. „Und wie lautet die Frage?“ wollte sie dann wissen.
Daraufhin erklärte Nico der Eule, wie er am Ufer des Flusses gestanden hatte und sein Spiegelbild gesehen hatte. Und er erzählte von den Fragen, die in seinem Kopf hochgestiegen waren und ihn nur nicht mehr losließen, ehe er eine Antwort finden würde.
„Ach so“, antwortete Martha, als Nico fertig war. „Ab und zu gibt es Tiere, die sich so eine Frage stellen. Sie sind selten, aber es gibt sie. Ich gehörte auch dazu. Und natürlich kenne ich die Antwort, die einzig allgemei….“
„Sag sie mir!“ forderte Nico aufgeregt
„Aber nein, so einfach ist das nicht“, gab die Eule zurück und ließ Nicos Gesicht wieder nachdenklich schauen. „Du wirst es schon selbst herausfinden, sonst verstehst du die Antwort einfach nicht“, erklärte sie dann verständnisvoll.
Nico ärgerte sich. Darum, dachte er sich, darum hab ich mir genau überlegt, ob ich Martha um rat frage. Genau darum! Laut sagte Nico nur:
„Und wie finde ich es heraus?“
„Nun, das liegt bei dir“, meinte die Eule. „ich kann dir nur sagen, dass es nichts bringt, nur zu überlegen. Man muss auch eine eigene Vernunft entwickeln. Man kann auch nicht einfach irgendwelche Tiere fragen, ob sie es dir sagen können. Auch das hilft einfach nicht. Auch solltest du nicht versuchen, die Frage zu verdrängen, da diese Frage so universell für dich ist, dass du sie nicht einfach vergessen kannst.“
Nico nickte schwach. Nun wusste er dass er etwas tun musste und er wusste, dass er einige Dinge nicht tun sollte.
„Überlege dir was“, fügte Martha noch an, breitete die Flügel aus, erhob sich in die Luft und flog lautlos davon in einen der Baumwipfel. Nico sah ihr nach. Lange blieb der junge Fuchs an derselben Stelle stehen und dachte über den Ratschlag der Eule nach. Was sollte er tun? Er konnte sich einfach keinen Reim daraus machen.
Später ging Nico auf die jagt, denn sein Magen fühlte sich unangenehm leer an. Doch immer noch waberte ihm die frage durch den Kopf, immer noch grübelte er, was er tun konnte. Egal, wie oft sich Nico an ein kleineres Tier heranpirschte, immer wieder wurde er entdeckt, denn es war unmöglich, über eine wichtige frage nachzudenken und sich gleichzeitig lautlos anzuschleichen. Und die frage ging ihm nicht aus dem kopf.
Als der morgen graute, fühlte sich Nico frustriert und hungrig und er kehrte zu seinem Bau zurück, um dort den Tag über zu schlafen. Er schloss die Augen und sofort schien er eingeschlafen zu sein.
Nico öffnete die Augen und wie immer wollte er als erstes wissen, wo er war. So schaute er um sich. Doch er sah nichts. Er witterte. Doch er roch nichts. Er horchte. Doch er hörte nichts. Er tastete. Doch er spürte nichts. Er wusste, dass er stand aber unter seinen Pfoten konnte er keinen Boden spüren. Er schien sich in einem vollkommen leeren Raum zu befinden, denn beim besten willen war er nicht fähig, etwas wahrzunehmen. Der junge Fuchs bekam langsam Angst. Wo war er? Wo musste er hingehen, um aus dem stillen, dunklen Raum
hinauszugelangen. Zumindest frage er sich das, aber er konnte nicht sagen, ob dies ein Raum war, oder ob hier die Zeit verging. Und er frage sich noch mehr Dinge. War hier eine Gefahr? Und wenn dort eine war, befand sie sich vielleicht direkt vor ihr, nicht mit den Sinnen zu erfassen? Würde sie ihn anspringen. Immer furchtsamer wurde Nico, fast panisch. Langsam tappte er vorwärts, einen Ausweg suchen. Er war allein, allein mit seinen Gedanken. Und immer weiter versuchte er, etwas über seine direkte Umgebung herauszufinden. Doch er fand nichts außer mehr und mehr leerem Raum, mehr und mehr….
Nico erwachte und hob erschrocken den Kopf. Sofort sahen seine Augen einen Schimmer schwachen Lichtes, das durch den Eingang in den Bau schien. Er roch auch wieder die üblichen Gerüche nach Erde und Fuchs. Unter seinen Pfoten spürte Nico auch die Erde, seine Ohren vernahmen nächtliche Geräusche.
Am Eingang angekommen, bemerkte Nico gleich, dass es schon vollständig dunkel war. Und wieder ging er den sanften Abhang hinunter und dachte am Flussufer nach, denn immer noch war die Frage, die ihn quälte nicht verschwunden.
Wer bin ich? Warum bin ich? Was bin ich?
Aber er dachte auch über diesen merkwürdigen Traum nach, den er in der vergangenen Nacht gehabt hatte. Er war völlig orientierungslos gewesen. Dies erinnerte ihn an was: seine Situation in diesem Wald. Sein Gebiet, das er in den Nächten durchstreifte war nicht besonders groß. Es war sogar ziemlich klein für das Streifgebiet eines Fuchses. Und so hatte er auch nicht viel lernen müssen, denn da er sich hier keine Sorgen um das Überleben zu machen gebraucht hatte, war dies nie nötig gewesen. Aber es gab hier eben nie etwas neues, jede Nacht war mehr oder weniger gleich.
Nun, dachte Nico seinen Gedankengang weiter, wenn er etwas anders machen sollte, würde das sicher nicht hier geschehen. Also gab es nur eine Lösung
„Auswandern!“ schallte es schlagartig in Nicos Kopf.
Er würde den Wald verlassen, er würde neue Dinge sehen, er würde lernen, er würde sicher auch Gefahren zu überstehen haben. Das dürfte, dachte Nico, bei der Lösung des Rätsels helfen.
Nico ging es nun schon wieder etwas besser. Er hatte die Frage zwar noch lange nicht beantwortet, aber er hatte nun eine Idee von dem, was er tun sollte. Er ging auf die jagt und in dieser Nacht dauerte es nicht so lange, wie in der Nacht zuvor, da hatte er schon Beute gemacht. Lange brauchte er hingegen zum fressen, denn er hatte einen großen Hunger, der gestillt werden musste. Als er sich sattgefressen hatte, suchte er im Wald nach Martha, denn er wollte ihr von seinem Plan erzählen.
„Wenn du dir sicher bist, dass es dein Problem löst“, kommentierte sie, als Nico ihr alles erzählt hatte. „Es ist eine Möglichkeit.“
Die Eule zeigte keine Spur von Trauer, als sie hörte, dass sie Nico nie wieder sehen würde. In ihrem langen Leben hatte Martha schon viele Tiere kommen und gehen gesehen und so war der Abschied für sie ein Teil des Lebens, den sie akzeptierte.
„Aber sag mal Nico, weißt du denn schon, wo du hingehen möchtest?“
Nico sank das Herz. Stimmt! Das hatte der Fuchs nicht bedacht. Wohin wollte er eigentlich?
„Ich weiß nicht…“ antwortet er zögernd.
„Du kannst nicht einfach ziellos herumwandern“, tadelte ihn die Eule auf der Stelle.
Nico überlegte. Was er nun brauchte waren Informationen über die Landschaft. Danach konnte er sich richten.
„Wie sieht es hinter dem Horizont aus“, fragte er Martha schließlich.
„Das kann ich dir nicht sagen.“
„Aber du bist ein Vogel. Du kommst weit herum. Ich bin mir sicher, dass du es weißt.“
„Ich weiß es aber nicht“, antwortete Martha leicht gereizt. Das war ihr jetzt unangenehm. Es stimmte – Für einen Vogel war sie äußerst sesshaft.
„Ich komme nicht weit herum“, sagte sie Nico schließlich.
Einen Moment standen sie sich gegenüber, keiner sagte etwas.
„Weißt du, wer mir helfen kann?“ wollte Nico dann wissen.
„Oh ja“, erwiderte Martha sofort. „Du kannst viele Tiere hier fragen. Keiner kommt weit herum, aber viele wissen ein wenig. Den Dachs kannst du fragen. Das Wiesel oder den Marder. Die könnten schon etwas wissen. Also viel glück.“
Mit diesen Worten erhob sich Martha und flog davon.
Nico war etwas unzufrieden mit den Antworten. Er hatte geplant, morgen Nacht loszuwandern, doch die Vorbereitungen auf die Reise würden bestimmt noch die kommende Nacht brauchen. In dieser Nacht würde Nico es jedenfalls nicht mehr schaffen, Informationen über das Umland zu sammeln.
Als er zum Waldrand ging, um zum Fluss zu gelangen verdrängte im Osten schon erstes Licht die hell leuchtenden Sterne. Erste Vögel konnte Nico ebenfalls hören.
Nachdem Nico am Fluss getrunken hatte, beschloss er, sich schlafen zu legen. Er würde Kraft brauchen, um seine Reise gut planen zu können und es würde wohl nicht leicht werden, alle Tiere zu finden, um ihnen Fragen zu stellen.
Vom Fluss ging Nico direkt zu seinem Bau. Während es schon immer heller würde, senkte er den Kopf, schlüpfte in seinen Bau und schlief dort.